Sicherheit von Lithium-Ionen-Zellen und Batterien – Projekt Ventbatt

Wenn die in einer Lithium-Ionen-Zelle enthaltene elektrische und chemische Energie schnell und unkontrolliert freigesetzt wird, dann kann ein, nicht mehr zu stoppender Thermal Runaway entstehen mit sehr hohen Temperaturen (ca. 800 °C oder mehr) und Drücken (mehrere Bar). Das Gehäuse wird an der Berstöffnung zerstört, und in vielen Fällen kommt es zu Bränden, die auch auf benachbarte Zellen übergreifen können (Thermal Propagation).

Nach dem jetzigen Stand von Wissenschaft und Technik gilt es als ausgeschlossen, dass alle Ursachen, die zu einem Thermal Runaway führen können, insbesondere innere Kurzschlüsse, sicher vermieden werden können. Wenn auch nur eine von 100 Millionen Zellen während der gesamten Lebensdauer einen Thermal Runaway erleidet, der auf andere Zellen übergreift, bedeutet das, dass mehr als ein Fahrzeug von einer Million während der Lebensdauer katastrophale Schäden erleidet.

In der chemischen Industrie ist bekannt, wie das thermische Durchgehen von Reaktionsbehältern sicher vermieden werden kann („sichere Zonen“ gemäß Semenov-Theorie).

Am 1.5.2023 startet das Projekt Ventbatt, das ein bereits validiertes Konzept untersucht, mit dem die Gefahren eines Thermal Runaways so weit reduziert werden können, dass es keine Propagation mehr geben kann. Es kann dann zwar die Batterie oder Teile davon unbrauchbar werden, Brand- und Explosionsrisiken bestehen dann aber nicht mehr.

 

Aufgabenbeschreibung 1:

Ziel der Arbeit ist, die Auswirkungen eines TR durh kontrollierte Ableitung der entstehenden Gase und Vermeidung der Selbstentzündung an Luft zu reduzieren. Es soll eine Testeinrichtung aufgebaut und erprobt werden, mit der die Bedingungen untersucht werden können, unter denen keine Selbstentzündung ausströmender Gase erfolgt. Das aus einer Zelle ausströmende Gas wird im ersten Schritt mit Propangas gleichgesetzt. Die Arbeitspunkte im Einzelnen

  1. Definition der Temperatur-, Volumenstrom- und Druckbedingungen für die ausströmenden Gase aus Literaturangaben und Übertragung auf äquivalente Druck- und Volumenstrombedingungen für Propangas.
  2. Analyse der in der chemischen Industrie üblichen Vorkerhungen zur Vermeidung von Selbstentzündungsprozessen beim unkontrollierten Ausströmen heißer, brennbarer Gase.
  3. Auslegung und Konstruktion eines Behälters zwischen Propanflasche und Austritt des Propangases an die Umgebungsluft, mit dem die ermittelten Druck-, Volumenstrom- und Temperaturbedingungen nachgebildet werden können. Es müssen dafür Absperr- und Drosselventile sowie Heizelemente und die entsprechenden Messsensoren integriert werden. Der Testaufbau soll einen schnellen Temperatur- und Druckanstieg von ca. 180 °C auf die maximale Temperatur (ca. 700 °C ermöglichen (Temperaturgradient >1K/s).
  4. Erprobung des Testaufbaus.
  5. Überlegungen zur Form und Materialauswahl für Düsen, durch die das heiße Gas ausströmen kann, sowie Überlegungen zu Aufsätzen, mit denen die Durchmischung der heißten Gase mit der Umgebungsluft so erfolgt, dass eine Flammbildung vermieden werden kann.
  6. Durchführung von Versuchen mit verschiedenen Düsen und Aufsätzen.

 

Aufgabenstellung 2:

Es soll ein Programm erstellt werden, mit dem die Abkühlung heißer Gase bei Durchmischung mit der Umgebungstemperatur in Abhängigkeit vom Öffnungsquerschnitt und Form der Austrittsöffnung der heißen Gase und den Umgebungsbedingungen, z.B. Gasführungsrohre, berechnet werden kann. Das Ergebnis der Arbeiten soll es ermöglichen, einen Versuchsaufbau (Druck- und Temperaturverteilungen sowie Strömungsgeschwindigkeiten  zu planen und Versuche auszuwerten. Die Arbeitspunkte im Einzelnen:

  1. Definition der Temperatur-, Volumenstrom- und Druckbedingungen für die ausströmenden Gase aus Literaturangaben sowie Ermittlung der entsprechenden Stoffdaten. Zu beachten ist dabei, dass das ausströmende Material Lösungsmitteldämpfe enthält.
  2. Festlegung des Variationsbereichs der geometrischen Rahmenbedingungen und Rückkoppelung mit den, das ausströmende Stoffgemisch umgebenden Wände.
  3. Berechnungen der Gastemperaturen und des Konzentrationsgemisches zwischen ausströmender Gase und der Umgebungsluft in Abhängigkeit von diversen geometrischen und sonstigen Randbedingungen.

 

Aufgabenstellung 3:

Untersuchung von Partikelschäumen bzgl. Ihrer thermischen Stabilität und Stofftransporteigenschaften für heiße Gase. Die Arbeitspunkte im Einzelnen:

  1. Definition der Temperatur-, Volumenstrom- und Druckbedingungen für die ausströmenden Gase aus Literaturangaben.
  2. Untersuchung kommerziell erhältlicher Partikelschäume und Granulate mit hoher Temperaturbeständigkeit und Gasdurchlässigkeit.
    Es ist nicht erforderlich, dass die Temperaturbeständigkeit das Material unzerstört lässt, es genügt, wenn es sich nicht an sauerstoffarmer Luft selbst entzündet bzw. durch die Temperaturbelastung das Material nicht weniger luftdurchlässig wird.
  3. Durchführung von Versuchen mit Inertgas, z.B. N2 oder CO2, das auf die entsprechende Temperatur gebracht wird und Messung des Druckabfalls beim Durchströmen des Granulats.

 

Aufgabenstellung 4:

Ziel der Arbeit ist, die Temperaturbelastung von Lithium-Ionen-Zellen beim Umschäumen mit dem Atecarma-Verfahren experimentell zu untersuchen. Das Atecarma-Verfahren ermöglicht es, auch thermisch empfindliche Teile direkt zu umschäumen, wobei sowohl organische als auich anorganische Partikelschäume (Expanded Polpropylen EPP, Hohlglas, etc.) hergestellt werden können. Zur festen Verbindung der Partikel untereinander muss von außen für eine kurze Zeit ein geringer Druck und Temperaturen im Bereich von ca. 130°C aufgebracht werden. Mit dem Projekt soll festgestellt werden, wie hoch die Temperatur an der Innenwand eines Zellgehäuses beim Umschäumen wird. Die Arbeitspunkte im Einzelnen:

  • Herstellung eines Probekörpers, der eine vergleichbare thermische Kapazität und anisotrope Wärmeleitfähigkeit wie prismatische Zellen haben und im Inneren mit mehreren Temperatursensoren ausgestattet ist, die den Temperaturverlauf beim Umschäumen aufzeichnen können.
  • Simulation des Temperaturverlaufs ausgehend von der Temperatur des Werkzeugs über die Partikelschicht bis zu der Innenseite der Zellwand unter verschiedenen Bedingungen (Druck, Temperatur, Dicke der Partikelschicht, Partikeleigenschaften) und zu erwartendem Adhäsionsgrad der Partikelschicht mit der Zellwand. Dabei ist zu beachten, dass der Partikelschaum an der Zellwand keine besonders hohe Verbindungswirkung haben muss, und Eigenschaften wie Gasdurchlässigkeit und mechanischer Schutz gegen Vibrationen und Stöße von außen wichtig sind.
  • Durchführung von Versuchen mit einer Versuchseinrichtung bestehend aus einer Heizplatte mit Druckmessung.

 

Informationen zur Arbeit

Art der Arbeit: Masterarbeit
Beginn der Arbeit: sofort, nach Absprache
Arbeitsweise: experimentell und theoretisch
Arbeitsort: IEVB
Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Marco Mancini
Dr.-Ing. Heinz Wenzl

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